Dezember 1995, Nagoya, Japan. Es ist früh am Morgen. Die Mutter von Shuji Kimura möchte ihn im Gefängnis besuchen. Er sitzt dort wegen Mordes. Zwei Jahre nach der Tat wurde er zum Tode verurteilt. 15 Jahre ist es her. Inzwischen ist Shuji Kimura 45 Jahre alt. Im Gefängnis angekommen, wird seine Mutter an der Tür abgewiesen. Es sei zu voll, heißt es. Alle Besucherplätze bereits belegt, sie solle es am Mittag erneut probieren. Als sie wenige Stunden später wiederkommt, wird sie gefragt, ob sie den Leichnam Ihres Sohnes abholen wolle, um ihn zu beerdigen. Er wurde soeben hingerichtet.
Hinrichtungen unterliegen in Japan strengster Geheimhaltung. Sogar die Häftlinge selbst erfahren erst am Morgen ihres Todes davon. Stimmt das oder ist diese Geschichte ein Einzelfall?

Schwere Haftbedingungen
Seit Shuji Kimuras Tod 1995 wurden in Japan 118 weitere Personen hingerichtet (bis Ende 2021). Erlaubt ist das bei 18 Verbrechen. Ausgesprochen wurde die Todesstrafe seit 1967 allerdings ausschließlich für Mord, Raubmord und bei Sprengstoffanschlägen mit Todesfolge.
Ende 2021 befanden sich schätzungsweise 117 Menschen, die zum Tode verurteil wurden, in japanischen Gefängnissen. Dort unter fragwürdigen Haftbedingungen.
So sind die zum Tode verurteilten Häftlinge beispielsweise immer in Einzelhaft untergebracht. Der Kontakt zu anderen Insassen ist genauso verboten wie die Möglichkeit fernzusehen oder anderen Hobbys nachzugehen. Teils bis zu 50 Jahre lang, im Durchschnitt jedoch etwa 12, so die Menschenrechtsorganisation Amnesty International. Der Besuch von Angehörigen oder Rechtsanwälten ist nur begrenzt möglich, Briefe werden zensiert.
Plötzlicher Tod
Seit 1882 werden Hinrichtungen in Japan ausschließlich über Erhängen vollstreckt. Im Vergleich zu anderen Hinrichtungsmethoden sei dies aus humanitärer Sicht nicht als grausam anzusehen, so der oberste Gerichtshof.
Feste Termine gibt es für die Hinrichtungen nicht, auch keine vorgeschriebene Reihenfolge. Die Häftlinge erfahren tatsächlich erst am Morgen ihres Todes von der Vollstreckung des Urteils. Dann bleiben ihnen nur noch Minuten oder Stunden zu leben. Die Angehörigen werden erst nach dem Tod informiert.
Japans Justizministerium rechtfertigt dieses Vorgehen mit der Rücksicht auf die Psyche der Häftlinge.
Würden wir den Gefangenen vorher informieren, könnte es ihn emotional belasten.
Sprecher des japanischen Justizministeriums
Ein Fragwürdiges Vorgehen
Menschenrechtsorganisationen kritisieren dieses Vorgehen jedoch. Sie argumentieren, dass die Häftlinge einer permanenten Todesangst ausgesetzt seien, weil es jederzeit zur Vollstreckung der Verurteilung kommen könnte.
Im Jahr 2021 reichten zwei Häftlinge eine Klage gegen dieses Vorgehen ein – bisher ohne Ergebnis.
Quellen:
Wenn der Staat tötet: Todesstrafe in Japan. (2022). In amnesty-todesstrafe.de. Amnesty International Deutschland e. V., Wohlwend, R. (2001). Abolition of the death penalty in Council of Europe observer states. In pace.coe.int. Parliamentary Assembly of the Council of Europe. Committee on Legal Affairs and Human Rights, La peine de mort au Japon: la loi du silence. (2008). In fidh.org. Fédération internationale des ligues des droits de l’Homme., nytimes.com, sueddeutsche.de, tagesanzeiger.ch, sumikai.com